David Lee

Früher mal cool

Elektroschrott des Tages: CD-Wechsler

(erschienen auf DigitalLiving.ch, 10.08.2012)

Er ist so gross wie ein Desktop-PC, aber heute weitgehend unnütz: Der CD-Wechsler. Erinnerungen an eine Zeit, als Musikkonsum völlig anders funktionierte.

Dieser CD-Wechsler ist 20 Jahre alt und eigentlich Bestandteil einer Audio-Komplettanlage. Der Verstärker ist bis heute in Betrieb, doch die übrigen Teile wie Doppelkassettendeck sind im Lauf der Zeit irgendwie überflüssig geworden.

Rückblende ins Jahr 1992: Wer Musik in guter Qualität hören will, muss CDs hören. Und wer sie oft hören will, muss oft CDs wechseln. Eigentlich dauernd. Dafür ist ein CD-Wechsler gut. Er fasst (in meinem Fall) bis zu fünf CDs gleichzeitig, die auf einem riesigen Teller rotieren. Das rumpelt und knackt jeweils ein bisschen, zwecks Erhöhung der Spannung. Der CD-Wechsler beherrscht auch die Zufallswiedergabe von Einzeltiteln über mehrere CDs hinweg.

CD-Wechsler von Sony aus dem Jahr 1992.

Heute ist das Zeitalter der CDs vorbei. Man kauft Musik entweder gar nicht mehr oder per Download. Und wenn man das Sinnliche am Tonträger mag, dann lieber gleich Vinyl. Okay, ich lese gerade, dass das nicht so ganz stimmt: 2011 wurden in Deutschland knapp 100 Millionen CDs verkauft und 700'000 Schallplatten. Aber die Zahlen für Platten steigen, die für CDs sinken. Und wir hier bei DigitalLiving.ch sind natürlich der Zeit voraus.

Das CD-Zeitalter war kein goldenes. In jeder gut sortierten Teenie-CD-Sammlung steckten die CDs in der falschen Hülle oder lagen einfach am Boden, wo man sie bei erstbester Gelegenheit zertrat. Lange Zeit konnte man CDs auch nicht selber brennen. Man kopierte sich eine ausgeliehene CD auf Musikkassette. Und wenn einem auf einer Scheibe nur ein Stück gefiel, musste man trotzdem das ganze Album kaufen, für 30 Franken und mehr.

Aber das Zeitalter war immerhin ein silbriges. Das Zertreten einer CD beispielsweise bot die ideale Gelegenheit, ins Gespräch zu kommen. «Ah, Guns 'n' Roses, naja, dann tut es mir mässig leid. Ich schenk dir als Ersatz eine CD von den Fantastischen Vier.» – «Ich will aber nichts von denen. Das sind doch so doofe Hip-Hopper!» – «Kriegst du trotzdem. Du brauchst dringend musikalische Früherziehung.» – etc. Am Ende heirateten sie und kriegten drei Crossover-Kinder.

Überhaupt war Musik ein dankbares Gesprächsthema. Leute trugen ihre Musik sichtbar mit sich herum, und damit meine ich jetzt nicht die Kleider. Es gab jede Menge Künstler, die jeder kannte. Es gab eine gemeinsame Basis für Diskussionen, weil die Infos aus den Massenmedien stammten und darum ein Insider-Tipp noch etwas wert war. Heute besteht die ganze Musiklandschaft nur noch aus Insider-Tipps: Jeder klickt sich sein individuelles Programm zusammen. Das ist zwar praktisch, aber sozial irgendwie unbefriedigend, Facebook & Co. lösen das Problem auch nicht. Es klingt hoffnungslos nach verklärter Nostalgik, aber die Limiten von damals hatten auch ihr Gutes. Was genau soll ich anfangen mit einer ganzen Festplatte voller Songs? Selbst wenn ich könnte, will ich mir das gar nicht alles anhören. Das sollen andere machen und dann die Perlen für mich herauspicken. Wozu gibt es Musikredaktoren? Wozu gibt es Musiklabels?

Oder wie es der gute Herr auf Herm's Farm ausgedrückt hat: «Man entdeckt kein Album, wenn man die 93teilige Diskografie eines Künstlers besitzt.»

Jetzt aber den CD-Wechsler einfach zu behalten, löst diese (Luxus-)Probleme auch nicht. Darum weg mit ihm. Seine Zeit ist vorbei, es war eine schöne Zeit.

Und hier noch die Jukebox von 1992:

Guns 'n' Roses - November Rain
SNAP- Rhythm Is A Dancer
Red Hot Chili Peppers - Under the Bridge
Ugly Kid Joe - Everything About You
Beastie Boys – Gratitude
Spin Doctors - Two Princes
Baby Jail - Tubel Trophy