David Lee

Früher mal cool

Elektroschrott des Monats: Sharp PC-1403H

August 2014

Wir haben hier einen PC. Die Abkürzung steht allerdings nicht für Personal Computer, sondern für Pocket Computer. Man könnte auch einfach Taschenrechner sagen, aber zu der Zeit, als das Teil auf den Markt kam (80er-Jahre!), entsprach sein Können eher dem eines PCs als dem eines Taschenrechners. Denn der Sharp PC-1403H ist mit BASIC programmierbar. Ich wurde durch die Staatsgewalt gezwungen, dieses Gerät zu kaufen, für den Mathe-Unterricht im Gymnasium, und es war nicht billig. Ich glaube, über 200 Franken, aber so genau weiss ich das nicht mehr. So viel zur Behauptung, öffentliche Schulen seien gratis.

Aber ich will überhaupt nicht meckern. Ich fand den Rechner toll. Mathe interessierte mich weniger, Programmieren dagegen sehr. Angefixt wurde ich schon ein paar Jahre früher. Mit 12 oder 13 Jahren entdeckte ich bei einem Freund ein höchst skurriles Gerät namens Basic Tutor, eine Art Computer für Kinder. Von meinem Freund wurde das Ding konsequent «Basktutor» genannt, ein verständlicher Irrtum, wenn man den Schriftzug betrachtet. Dort, wo man heute einen Bildschirm erwarten würde, hatte das Gerät eine Halterung für das Benutzerhandbuch. Dieses brauchte man, weil darin die BASIC-Programme standen, die man abtippen musste, damit man mit dem Teil überhaupt irgend etwas anfangen konnte. Der Bildschirm selbst war ein winziges LCD, das eine Zeile Text anzeigen konnte. Trotz seiner schon für damalige Verhältnisse unterwältigenden Leistung zog mich dieses Gerät sofort in den Bann, und ich bat meinen Freund, es ausleihen zu dürfen.

Kinderkram: Der Basic-Tutor.

Die Rückgabe verzögerte sich. Ich kam nämlich recht schnell aus dem Entwicklungsstadium des stumpfen Abtippens heraus und fing an, selbst Programme zu schreiben. Als ich diese meinem Kumpel zeigte, interessierte auch er sich plötzlich wieder für das Gerät. Aber ich war der, der programmieren konnte, und so blieb der Computer bei mir. Monate- oder gar jahrelang. Weil ich dann doch ein bisschen ein schlechtes Gewissen hatte, kam ich seiner Bitte nach, ein Programm zu schreiben, in dem man genaue Anweisungen geben konnte, auf welche Art ein von ihm nicht besonders geschätzter Schulkollege zu foltern sei. Er legte grossen Wert darauf, dass auch die Option «Zermalmen» zur Verfügung stand. Meine eigenen Ideen waren weniger USK 18. Zu den Highlights meiner Programmierkunst gehörten ein textbasierter Flugsimulator, also quasi ein Adventure, und ein Programm, das sehr sonderbare Beep-Melodien auf Zufallsbasis von sich gab. Begeistert zeichnete ich diese Evergreens auf Kassette auf.

Mit dem Sharp-Dings war das Programmieren nicht mehr so toll, obwohl es im Prinzip dasselbe Prinzip war. Die vom Mathilehrer beauftragten Programme waren natürlich etwas weniger spassorientiert. Sehr lästig war zudem, dass man wissen musste, mit welcher Codezeile jeweils ein neues Programm begann. Beep kannte der Taschenrechner auch nicht. Irgendwie merkte man, dass es kein Gerät für Kinder, sondern für knockentrockene Ingenieure war. Und für Nerds. Den Begriff kannte ich damals noch nicht, wohl aber den Menschenschlag, den er bezeichnete. Ein paar Gymischüler aus dem mathematisch-naturwissenschaftlichen Typus stellten ganz seltsame Dinge damit an, laut kursierenden Gerüchten. Die konnten angeblich einzelne Pixel auf dem Display ansteuern und damit Games mit richtiger Grafik programmieren, ausserdem konnten sie ihre Rechner untereinander vernetzen und sich selbst per Teleportation in andere Schulzimmer beamen. Wie sie das alles machten, habe ich nie verstanden, weil sie entsprechende Fragen immer nur auf maximal komprimierte Art beantworteten («mach’ n Poke»).

Poke ist zusammen mit Peek und Call einer der drei magischen Befehle, mit denen man irgendwelche verborgenen, nicht dokumentierten Funktionen auf der Ebene der Maschinensprache aktivieren konnte. Und da man im Internet wirklich zu allem irgend etwas findet, weiss ich jetzt, 20 Jahre später, dass man mit «Call 1200» eben doch ein Beep hinkriegt. Die meisten Calls führen jedoch nur zur unangenehmen Frage «Memory all clear O.K.?», die rein rhetorischer Natur ist: die einzige vom Rechner akzeptierte Antwort ist «ja». Dies löscht alle eingetippten Programme. Eine elegante Art, sicherzustellen, dass der 32-KB-Speicher niemals zur Neige geht. Big Data steckte noch in den Kinderschuhen.

Übrigens, der Stromverbrauch des Geräts beträgt 0.03 Watt. Wer sich darunter nichts vorstellen kann: die Knopfbatterie, seit über 20 Jahren in Betrieb, ist bis heute nicht leer. Nehmt das, ihr Smartphone-Fans!

Zugabe! Elektroschrott-Programmierung Advanced Level

Und hier noch das phänomenale Programm, das eine Art Strichmännchen zeichnet. Zeile 1 löscht den Bildschirm (passiert bei diesem Poke-Zeugs nicht automatisch). Call 1208 zeigt den Bildschirm (normalerweise wird der Bildschirm ausgeblendet, während ein Programm werkelt). Zeile 3 zeichnet das Männchen, und Zeile 4 ist eine Warteschlaufe, damit es nicht gleich wieder verschwindet.

1 PRINT " "

2 CALL 1208

3 POKE 12288,2,100,29,100,2

4 FOR I=0 TO 200 : NEXT I