David Lee

Früher mal cool

Elektroschrott des Monats: Nokia Xpressmusic 5220

März 2015

Mit diesem brandneuen, nie benutzten Gerät, das ich bei einer Entsorgungsaktion vor dem sicheren Tod gerettet habe, wächst meine Sammlung funktionstüchtiger Nokia-Handys auf drei.

Da wäre links im Bild das C2-00, seit vier Jahren in Betrieb und dementsprechend abgenutzt. Kann immerhin 3G via Bluetooth aufs iPad tethern. Für den Fall, dass das C2-00 futsch geht, hab ich schon letztes Jahr vorgesorgt: Das Nokia 301 (Mitte) leistet ungefähr dasselbe. Und rechts nun also das Nokia Xpressmusic 5220. Es ist das älteste Modell und kann noch weniger als die beiden anderen, sieht aber recht gut aus und hat immerhin einen 3,5mm-Kopfhöreranschluss. Die 16-GB-Karte funktioniert problemlos, obwohl in den Spezifikationen steht, dass 8 GB die Obergrenze ist. Allerdings dauert es lange, wenn das Handy die komplette Liste mit etwa 1500 Musikstücken laden muss.

Meine Gründe, kein Smartphone zu nutzen, haben sich im Lauf der Jahre geändert. Ich habe schon seit 2008 immer wieder angeblich intelligente Telefone ausprobiert und sogar Testberichte darüber geschrieben. Die ersten Modelle waren schlichtweg unbedienbar. Dann gab es noch das iPhone 1, das war gut zu bedienen, konnte aber quasi nichts – da konnte man auch gleich bei einem Dumbphone bleiben.

So ab 2010 waren dann Smartphones allgemein brauchbar, aber ich merkte, dass ich nicht unterwegs auch noch Internet haben will und vor allem nicht meine Geschäftsmails abrufen können will. Ich könnte sonst überhaupt nicht mehr abschalten. Freizeit wäre keine Freizeit, und Urlaub kein Urlaub. Ich brauche diese Freizonen, um mich selbst zu schützen.

Ein weiterer Punkt: die Buchhaltung. Meine Handykosten betragen 5 Franken pro Monat, das Gerät kostet quasi nichts. Und nun soll ich eine Menge Geld für jede Menge neue Probleme bezahlen, die ich zuvor nie hatte? Die alten Nokia-Handys stürzen nie ab, man muss nie etwas updaten, der Akku ist nie im dümmsten Moment leer, und schlechten Empfang hat man höchstens, wenn der Gesprächspartner ein iPhone benützt. Ausserdem kann ich mir spannendere Gesprächsthemen vorstellen, als gemeinsam die neusten Probleme mit 24-Monats-Knebelverträgen, Synchronisation und angeblicher Roaming-Abzocke zu wälzen.

Ebenfalls so um das Jahr 2010 fing ich an, mich über Google und Facebook zu ärgern. Diese andauernden perfiden Änderungen, die eigentlich keiner will, die man möglichst heimlich durchführte, diese Anmassungen, dieses hinterfotzige Schmarotzertum. Nicht sie geben uns alles gratis, sondern wir ihnen. Smartphones sind ein wichtiger Baustein des organisierten Datensammelns. Die Snowden-Enthüllungen 2013 haben mich natürlich in dieser Ansicht bestärkt. Mich störte zunehmend auch die völlig irre Machtkonzentration dieser grössenwahnsinnigen Konzerne.

Der wichtigste Punkt ist aber, dass Smartphones uns zu Menschen machen, die wir nie sein wollten. Smartphones saugen unsere Aufmerksamkeit auf wie Schwarze Löcher.

Wer das Gefühl hat, etwas zu verpassen, ist nicht frei. Wer in der Freizeit zwanghaft seine Geschäftsmails checkt, hat keine Freizeit. Wer an seinem Smartphone rumfingert, obwohl er weiss, dass das in der aktuellen Situation unangebracht ist, tut nicht mehr, was er will, sondern was das Gerät vorgibt.

Die Leute fummeln an ihren Dingern rum, während sie bei Rot die Strasse überqueren, nicht bedenkend, dass es auch Verkehrsmittel gibt, die leise sind (Velos, Elektroautos, moderne Trams). Soldaten plaudern bevorstehende Operationen über ihren Facebook-Status aus. Smart ist nur noch das Phone; wenn das Smartphone lockt, wird der Mensch zum Vollfrosch. Und es lockt immer. Vor dem Einschlafen, beim Aufwachen, beim Kacken, während der Yoga-Meditation, beim ersten Date, 5 Sekunden nach dem Orgasmus, während der Scheidung, während dem Herzinfarkt, auf der Beerdigung.

Manchmal nimmt es mich ja schon wunder, was denn so verdammt spannend ist, dass man sogar das eigene Leben aufs Spiel setzt - und erhasche einen verstohlenen Blick auf die Bildschirme. Meistens sehe ich dann einen Whatsapp-Emoticonsens oder ein Spiel, bei dem man glitzernde Kugeln wegklicken muss. Wow.

Kein Wunder, haben diese Leute ständig das Gefühl, etwas zu verpassen. Das ist ja tatsächlich der Fall. Eigentlich kann man ja im Leben nichts verpassen, wenn man sich der jeweiligen Sache mit voller Aufmerksamkeit widmet. Aber genau das tun Smartphone-Zombies nicht. Sie sind ein bisschen überall und nirgends. Und verpassen alles.

Irgendwann wird die Menschheit schon lernen, mit den neuen Möglichkeiten umzugehen. Aber das dauert noch einige Zeit. Bis dahin halte ich mich zurück. Vielleicht heisst ja «damit umgehen» auch: nicht jeden Quatsch mitmachen, bloss weil man es jetzt kann.