David Lee

Früher mal cool

Schrott des Monats: Toyota Corolla

Juni 2015

Mein treues Gefährt, der 24-jährige Toyota Corolla, geht in Rente. Ein denkwürdiger Moment und Anlass für eine ausführliche Würdigung.

Tolle Sache: in die Ferien mit dem Corolla Jahrgang 1991.

Auf den ersten Blick hat dieses Auto nichts, was begeistern könnte. Ursprünglich ein Produkt für den biederen Philister, ist es mittlerweile für diesen zu unsicher, der fährt drum jetzt Panzer (SUV). Für einen Oldtimer ist die Karre noch zu wenig alt und für einen Youngtimer zu abgefuckt. Als Zielgruppe bliebe noch der 0815-Hipster von der Stange, der auf abgefuckten Kram im Allgemeinen total abfährt – aber eben nur, wenn er teuer ist und aus New York City kommt.

Also kein Blender, der Corolla E90. Die Qualitäten dieses Autos liegen im Verborgenen. Man lernt sie erst im Lauf der Zeit kennen und schätzen.

Mein erstes Auto war der alte Ford Escort meines Vaters, den er mir überliess – vorher aber noch auf Vordermaschine brachte, damit sein Geschenk mir nicht nur Kosten und Probleme bereitete. Sein gut gemeinter Plan ging nicht auf. Das Auto pflegte entweder gar nicht zu starten oder dann am Rotlicht selbstständig abzustellen. Mehrmals fiel während der Fahrt der Innenrückspiegel ab, was auf den billigen Plätzen im Fond jeweils für ein grosses Gaudi sorgte. Wenn ich eine Kiste in den Kofferraum hob, donnerte mir jeweils die Heckklappe auf den Kopf, weil die Federn zu schwach waren, um sie oben zu halten. Und so weiter. Am Ende musste ich für die Entsorgung dieses Schrotthaufens sogar noch 100 Franken bezahlen.

Ganz anders der Corolla. Obwohl die Kiste immer draussen stand, meist unter einem Baum, wo pausenlos die Vögel drauf kackten, obwohl ich nie einen Service machen liess, obwohl ich leidenschaftlich gern im Salz herumfuhr, obwohl der Zahnriemen schon vom Vorgänger nie ersetzt wurde, hielt das Auto unter meiner miesen Behandlung siebeneinhalb Jahre durch. Es läuft heute noch anstandslos, lohnt sich aber nicht mehr, vorgeführt zu werden.

Die Rostlaube hat nicht mal Zentralverriegelung, wodurch es mir gelang, mich selbst drei Mal auszusperren. Einmal nach dreieinhalbstündiger Fahrt ins Tessin («Ah, endlich da, jetzt nur noch abhängen. Oh.»), einmal in der Waschanlage (mit Handy und Portemonnaie im Auto), und einmal mitten im Winter mitten in der Nacht. Irgendwann, nach langer Wartezeit, kommt dann jeweils einer vom Pannendienst und schliesst das Auto mit einigen recht einfachen Tricks wieder auf.

Aber was ein Auto nicht hat, kann auch nicht kaputt gehen. Wenn ich so von aktuellen Problemen lese, (Auto fährt nicht, weil die Elektronik im Autoschlüssel kaputt, neuer Schlüssel kostet 400 Franken; Tesla muss Software-Update einspielen und ist 7 Stunden ausser Betrieb; Diagnosetool zeigt Scheiss an, Mechaniker repariert falsches Teil; etc.), schätze ich mich glücklich.

Das Ding parkierte früher auch auf Street View.

Ich wollte einfach möglichst wenig Geld ausgeben für das Auto, denn ich fahre wenig und lege keinen Wert auf Statussymbole. Das hat bestens funktioniert. Reparaturen hatte ich praktisch keine. Einmal musste der Auspuff leicht nachgebessert werden, das kostete etwa 100 Franken. Ein durchgebranntes Blinklicht konnte ich in wenigen Minuten selbst ersetzen. (Ich erwähne dies, weil man dafür bei manchen Autos dazu die Batterie ausbauen und die Stossstange abmontieren muss.) Und vor einem halben fiel das Katalysator-Schutzblech ab, Reparaturkosten null – ich fuhr einfach ohne dieses Blech. Den Rost musste ich zum Vorführen jeweils machen lassen, aber das wars dann auch schon.

Und warum denn kein Mietauto? Nun, ich fuhr vier Mal ohne wirklichen Plan in die Ferien, nach Italien, Kroatien und zwei Mal nach Spanien. Rückbank runterklappen, Velo und Rucksack hinten rein, los. Irgendwo übernachten, wo es mir gefiel, und die nähere Umgebung per Velo auskundschaften. Das war immer super und wäre mit Mobility etc. nicht möglich. In Spanien sollte man allerdings aufpassen, dass man mit dem Velo nicht wie ich plötzlich auf einer sechsspurigen Autobahn landet. Ist zwar schon noch geil, auf dem allerfeinsten Asphalt abwärts zu bolzen, aber halt ein bisschen verboten, und irgendwann kommt die Zahlstelle.

Ich schätzte ausserdem am Corolla, dass man nicht Sorge tragen musste. Einmal fuhren wir über einen feuchten lehmigen Acker an den Waldrand zum Holzen. Wir fällten ein paar Birken, entasteten und zersägten sie und knallten anschliessend die Holzprügel einfach ins Auto. Kann man schon auch mit einem Mietauto machen – ich wünsche viel Glück beim Zurückbringen.

Natürlich kann man mit einem solchen Fahrzeug nicht bei Frauen punkten, dachte ich immer, dafür müsste man so ein schön fönfrisierter Tuning-Affe sein, der jeden Samstagnachmittag in der Autowaschanlage verbringt, um selbst noch die Innenseiten der Alufelgen zu polieren. Aber falsch gedacht. Auf einer Autobahnraststätte in Spanien sprach mich eine junge blonde Frau an und wollte mit mir bis nach Zürich mitfahren. Sie war so absurd jung und blond, dass ich misstrauisch wurde. Ich hatte irgendwie das Gefühl, das sei eine Falle, das könne ja gar nicht sein, dass die ausgerechnet mit mir und ausgerechnet mit der einzigen Schrottkarre auf dem Parkplatz mitfahren wollte, wo doch lauter moderne Wagen mit MP3-Stereoanlage und schallgedämpften, klimatisierten Innenräumen herumstanden. Da musste ich erst mal einen Moment drüber nachdenken. Ich musste aber auch dringend aufs Klo. Das sagte ich ihr auch und verband so die beiden Bedürfnisse.

Als ich mich erleichtert hatte, kam ich etwas von meinem paranoiden Trip herunter und nahm das deutsche Mädel einfach mal mit. Es stellte sich dann heraus, dass die gute Frau einen geradezu klassisch alternativen Lebensstil pflegte, so wie das in den Siebzigerjahren Mode war, und da gehört natürlich das Autostoppen dazu. Wahrscheinlich auch in einem möglichst alternativen Auto, und unter dem Gesichtspunkt war meines klar der Chef auf dem Platz. Die Frau behauptete jedenfalls, dass sie das Auto sehr sorgfältig ausgewählt hätte und nannte es mehrmals ein «Schmuckstück», ohne den leisesten Anflug von Ironie.

Seither sehe ich die Karre auch mit etwas anderen Augen. Die heutigen Autos sehen ja alle gleich aus, und wie ich finde, nicht eben schön. Klobige, schwere Kästen im Plastikfeeling. Alle technischen Geräte werden schöner, kleiner und leichter, nur Autos werden seit 30 Jahren immer hässlicher, grösser und schwerer. Zur Kompensation kaufe ich mir jetzt einen gebrauchten Citroen C1: klein, einigermassen leicht, firlefanzfrei und im Grunde ein Toyota.